Über die Einführung eines Anonymen Krankenscheins in Bonn
Bonn gibt sich international gerne als fortschrittliche Stadt, als Teil einer Bundesrepublik, die für ihren Sozialstaat gelobt wird und in der es seit 2009 sogar eine Krankenversicherungspflicht gibt. Doch gerade in Bonn ist die Zahl der Menschen, die keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben, nicht zu unterschätzen.
Seit vielen Jahren versuchen ehrenamtliche Organisationen, wie beispielsweise MediNetzBonn e.V., die Lücken in der öffentlichen Gesundheitsversorgung zu schließen und Menschen ohne Papiere eine angemessene gesundheitliche Versorgung zu ermöglichen. Unter den Patient*innen sind oft auch Familien und schwangere Frauen.
Dank der Kooperation mit vielen Heilberufler*innen und der Unterstützung weiterer Beratungsstellen, hat das MediNetzBonn sein Angebot in den letzten Jahren deutlich verbessert. Doch eine medizinische Versorgung, die dem gesetzlich definierten Existenzminimum laut SGB entspricht, kann es bis heute nicht leisten. Die Möglichkeiten ehrenamtlicher Vereine, wie zum Beispiel dem MediNetz, liegen unter dem, was mit der Unterstützung aus öffentlicher Hand erreicht werden könnte.
Gemäß Art. 3 des Grundgesetzes darf niemand
„wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“.
Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Gleichzeitig ist der Zugang zu Gesundheitsleistungen in der Europäischen Grundrechtecharta explizit mit aufgeführt. Daher fordern wir, dass die Politik ihre Verpflichtung endlich wahrnimmt und die medizinische Versorgung aller Menschen gewährleistet.
Um dies umzusetzen, fordern wir die Einführung eines Anonymen Krankenscheins (AKS) in Bonn. Das Ziel eines Anonymen Krankenscheins besteht darin, Menschen, die nicht ausreichend krankenversichert sind, den Zugang zum Gesundheitssystem zu ermöglichen.
Die geschützte Ausgabe von anonymisierten Krankenscheinen nimmt den Menschen die Angst vor einer möglichen Weitergabe der Daten an Behörden. Nach geltender Rechtslage müssen nämlich beispielsweise öffentliche Krankenhäuser die Daten ihrer Patient*innen an die Behörden weitergeben, um die Leistungen auch bei fehlender oder unzureichender Krankenversicherung abzurechnen. Aus diesem Grund scheuen Menschen ohne regulären Aufenthaltsstatus häufig den Arztbesuch.
Betroffene Personengruppen sind neben Menschen ohne Papiere auch EU-Bürger*innen ohne feste Anstellung oder in geringfügiger Beschäftigung, Wohnungslose oder auch Personen mit Beitragsschulden bei ihren Krankenkassen und infolgedessen eingeschränktem Leistungsspektrum.
Das vom AKS Bonn erarbeitete Konzept sieht vor, dass Betroffene eine zweimal wöchentlich stattfindende offene Sprechstunde aufsuchen können. Dort wird zunächst versucht, sie in die Regelversorgung zu überführen. Sollte dies nicht möglich sein, wird ein AKS für die passende Fachrichtung ausgestellt. Mit dem Krankenschein können die Patient*innen anschließend eine Arztpraxis ihrer Wahl aufsuchen.
Die Gründe, warum die Stadt Bonn einen AKS braucht, sind vielfältig. Zuallererst stellt der Zugang zur Gesundheitsversorgung ein Grundrecht dar. Des Weiteren wiegen vor allem humanitäre Überlegungen schwer: Eine zeitnahe und umfassende ärztliche Behandlung kann Leben retten. Außerdem können Schmerzen verhindert oder durch adäquate Behandlung gelindert werden. Auch aus dem Blickwinkel der öffentlichen Gesundheit ist der AKS eine sinnvolle Sache. Die betroffenen Menschen suchen sich aufgrund ihrer Angst vor einer Abschiebung trotz gesundheitlicher Probleme häufig keine medizinische Hilfe. Gefährliche und hochansteckende Krankheiten können so nicht zeitnah diagnostiziert und behandelt werden. Geringfügige Beschwerden werden zudem schnell zu Notfällen und Krankheiten chronifizieren sich. Dies bedeutet, neben menschlichem Leid, auch eine hohe finanzielle Belastung des Gesundheitssystems, welches für die Notfallversorgung aufkommen muss. Mit dem AKS könnten diese Belastungen reduziert werden.
Schon jetzt existieren zahlreiche erfolgreiche Beispiele. Im Bundesland Thüringen wurde der AKS bereits 2016 eingeführt und hat die Gesundheitsversorgung vieler Menschen schlagartig verbessert. Innerhalb von NRW führte die Stadt Düsseldorf den AKS bereits erfolgreich ein – die Einrichtung auf städtischer Ebene ist also gar nicht so schwierig.
Die Kampagne, den AKS nach den Kommunalwahlen 2020 in Bonn einzuführen, wird unter anderem vom evangelischen Kirchenkreis, dem katholischem Stadtdekanat Bonn, MediNetzBonn, der AIDS Initiative Bonn, der AsA, der Caritas Bonn, dem Deutschen Roten Kreuz Bonn, der Diakonie, der Flüchtlingshilfe Bonn, der EMFA, Der Paritätische Bonn, den Jusos Bonn, profamilia Bonn, dem Verein für Gefährdetenhilfe sowie der Seebrücke unterstützt.
Weitere Informationen zum AKS finden Sie auf unserer Website (aks-bonn.de) sowie auf Facebook (facebook.com/AKSBonn) und Instagram (@aksbonn).